Innovation im Untergrund
Diese Idee aus der Lausitz könnte das Sanieren von Pumpschächten revolutionieren. Gezählt sind die Tage, in denen alte Betonschächte mit Korrosionsschäden von innen mit einer neuen Mörtelschicht überzogen werden. Das Anschrauben von Platten, um Schäden zu verdecken, oder der Einsatz einer schmaleren Betonröhre – „Das wollten wir alles nicht“, erklärt Michael Müller, Geschäftsführer der Lausitzer Klärtechnik GmbH in Luckau.
Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) haben die Lausitzer ein völlig neues System entwickelt, um marode Schächte von Pumpanlagen fit zu machen. „Wir arbeiten mit Faser-Kunststoff-Verbunden“, so Marcello Ambrosio vom Fachgebiet Leichtbau mit strukturierten Werkstoffen, das an der BTU von Prof. Dr.-Ing. Holger Seidlitz geleitet wird. Knapp einen Zentimeter dick ist die Schicht aus Textilien und Glasfasern. Sie ist sehr leicht und flexibel und erhält erst durch die Zugabe von flüssigem Harz, das dann aushärtet, eine enorme Stabilität.
Marcello Ambrosio erklärt, wie dieser leichte Werkstoff schwere Schächte reparieren und stützen kann: Zunächst wird ein 3-D-Scanner in den Schacht hinuntergelassen, um alles auszumessen. Anhand der Daten werden die Textilbahnen und das Glasfasermaterial zugeschnitten, um den kompletten Schacht auszukleiden. Das flexible Material wird mithilfe eines Drucksackes von der Mitte des Schachts aus an die Wand gedrückt. Erst dann wird das flüssige Harz in das Material infusioniert. Ist das Harz ausgehärtet, hat der Betonschacht so etwas wie ein Korsett. Das bleibt an der Wand haften, bedeckt schadhafte Stellen und stabilisiert sogar den Schacht. Der Drucksack wird wieder entfernt.
Die Sanierung wird viel schneller abgeschlossen als bei herkömmlichen Verfahren
„Gerade mal zwei Stunden dauert das Verfahren“, sagt LKT-Chef Michael Müller. Für Reparaturarbeiten muss der jeweilige Schacht leer gepumpt und außer Betrieb genommen werden. Bei herkömmlichen Sanierungen gibt es Ausfallzeiten von bis zu zwei Wochen. Die LKT will auf zwei Tage kommen. Das spare Kosten, sagt Torsten Hansen von der Technischen Abteilung. Die LKT GmbH produziert und vertreibt weltweit Kleinkläranlagen und Pumpstationen. Die rund 60 Mitarbeiter des Unternehmens warten auch die Anlagen – da ist es bis zur Sanierung der Schachtsysteme nur ein kleiner Schritt.
Einmal im Schacht platziert, dient die Schutzschicht später als Leckage-Detektor
Die Neuentwicklung hat einen weiteren großen Vorteil: Sie funktioniert auch bei niedrigen Temperaturen. In das Material sind hauchdünne Heizdrähte eingearbeitet. Sie bringen das Harz auf Temperaturen, damit es für die Verarbeitung flüssig ist. Die Drähte verbleiben im Material und dienen später als Leckage-Detektoren. Wenn ein neuer Schaden auftritt und Wasser aus dem Schacht nach außen dringt oder umgekehrt Stoffe eindringen, verändert die Feuchtigkeit den Widerstand der Heizdrähte. Diese Information geht direkt an den Betreiber der Anlage. Im Herbst soll das Verfahren, für das ein Patent angemeldet ist, im Werk getestet werden. 2018 will die LKT damit auf den Markt gehen. Anfragen gibt es viele. Michael Müller will die Entwicklung sogar so weit vorantreiben, dass künftig die Produkte aus seinem Werk gleich mit dem neuen Material beschichtet werden – kostenneutral im Vergleich zu herkömmlichen Beschichtungen. Bis Ende 2018 läuft das Forschungsprojekt „FlexRehaSchacht“ mit der BTU noch.